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Unorthodox – Es ist okay, anders zu sein

In «Unorthodox», einer MiniSerie über eine abtrünnige orthodoxe Jüdin, spielt die Israelin Shira Haas die Hauptrolle. Und lässt dafür Haare.

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Unorthodox

Befreiendes Bad: Am Wannsee streift Esty einen Teil ihrer Vergangenheit ab.

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Es ist eine Welt für sich, in der Esty (Shira Haas) lebt. Doch sie ist anders. Zwar heiratet auch sie – wie alle anderen chassidischen Jüdinnen – einen Mann, den sie kaum kennt, und versucht verzweifelt, so schnell wie es geht, schwanger zu werden. Ist es doch oberste Pflicht einer gläubigen Jüdin, möglichst viele Kinder zu gebären. Doch das von zahlreichen Regeln geprägte Leben in der gottesfürchtigen Gemeinde ist ihr zu eng: Sie flieht von New York nach Berlin. Dort lebt auch ihre Mutter, ebenfalls eine Abtrünnige.

Aber wie Fuss fassen? Esty hat in der Schule nur das Nötigste gelernt, besass keinen Computer und weiss nicht, wie man googelt. Ausserdem verdiente sie noch nie eigenes Geld. Eine Unterkunft? Hat sie auch nicht. Und zu allem Übel reisen ihr auch noch ihr  Ehemann Yanki (Amit Rahav) und dessen Cousin Moishe (Jeff Wilbusch) hinterher, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Holt ihre Vergangenheit Esty nun ein?

Die Hauptrolle in der deutschen Dramaserie «Unorthodox» spielt Shira Haas (24), bekannt aus der Netflix-Serie «Shtisel» (2013), wo sie ebenfalls eine gläubige Jüdin und starke Frau spielte. «Unorthodox» basiert auf der gleichnamigen Autobiographie von Deborah Feldman aus dem Jahr 2012.

Streaming: So eine Rolle ist ganz schön anspruchsvoll, oder? 

Shira Haas: Oh ja, denn dies ist eine erstaunliche Lebensgeschichte, in der es darum geht, seine Stimme als Frau zu finden. Es war der herausforderndste Charakter, den ich bislang spielte – und zwar nicht nur, weil er so komplex ist, sondern weil es auch so viel zu lernen gab, zum Beispiel das Klavierspielen.

Jiddisch konnte Sie aber schon – das reden Sie, als ob es Ihre «Mameloschn», Ihre Muttersprache wäre.

Jiddisch? Ich? Kein einziges Wort! (Lacht.) Meine Grosseltern beherrschen es zwar, sprechen es aber nicht mehr, denn leider wird die Sprache ausserhalb orthodoxer Gemeinden kaum verwendet. Und nicht mal dort sprechen es alle. 

Sie haben es extra gelernt?!

Das musste sein – denn 50 Prozent des Textes in «Unorthodox» sind in Jiddisch. Sechs Wochen vor Drehstart begann ich also in Berlin zu pauken, nahm alles auf, was mein Lehrer mir vorsprach, und hörte mir seine Sätze beim Joggen an, statt Musik zu hören. Man kann sagen: Eli hat mein Leben gerettet! (Lacht.) Ach ja, er spielt übrigens den Rabbi Yossele in der Serie.

Brauchten Sie auch einen Religions-Coach? 

Ja, wir wollten das religiöse Leben so exakt wie möglich abbilden. Eli wuchs in einer chassidischen Gemeinde in Brooklyn auf und war darum auch unser religiöser Berater. Es ging um zig Details: um die Mesusa-Kapsel an der Tür, wie man betet, was für Strümpfe die Frauen tragen, was auf den Esstisch kommt und vieles mehr.

Gab es viele Ex-Chassiden wie Eli Rosen auf dem Set?

Ja, vor allem bei den Drehs in New York. Auch Jeff Wilbusch ist einer: Er verliess seine Gemeinde vor zwanzig Jahren. 

In Estys Gemeinde schert man Frauen bei der Heirat die Haare. Waren die Tränen echt?

Das waren Estys Tränen, denn ich wusste es ja im Voraus, und wenn eine Rolle es erfordert, mache ich auch so etwas Radikales. Für Esty war’s ein wichtiger Schritt, denn an diesem Tag endet ihre Kindheit. Als die Szene anstand, am ersten Drehtag, war ich aufgeregt, gestresst und ängstlich, doch irgendwie auch glücklich. Ein Wechselbad der Gefühle, die ich mit Esty teilte.

Wer erstmals Einblicke in diese Welt erhält, empfindet ihre Rituale als sehr fremd. Fürchten Sie nicht, dass sich Antisemiten durch «Unorthodox» in ihrer Haltung bestätigt fühlen könnten?

Nun, Leute, die durch Hass angetrieben werden, finden immer Gründe, um zu hassen. Darum sollten wir unser Leben nicht nach ihnen ausrichten. Jeder, der die Serie schaut, wird vor allem eins verspüren: Empathie. Etwa für Yanki – ihn muss man einfach lieben! Manchmal war ich fast sauer auf Esty und dachte: «Sieh doch, wie süss er ist, wie kann man diesen Mann nur verlassen!» Wer sich die Serie anschaut, dem wird sie das Herz öffnen, auch wenn er vorher eine andere Meinung hatte. Man stellt fest, wir alle sind nur Menschen, und es ist okay, anders zu sein. Vielleicht ein naiver Wunsch, aber so denke und hoffe ich! 

Auf der Suche nach Esty  Moishe (Jeff Wilbusch) und Yanki (Amit Rahav).

Auf der Suche nach Esty: Moishe (Jeff Wilbusch) und Yanki (Amit Rahav).

Netflix
Unorthodox ★★★★☆

Netflix; Miniserie, D 2020
Mit Shira Haas, Amit Rahav, Jeff Wilbusch, Alex Reid, Delia Mayer. Regie: Maria Schrader.
4 Folgen à ca. 53 Minuten.

Fremde Welt, packende Story, tolle Darsteller – sehenswert!

Drama

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Miriam ZollingerMehr erfahren
Von Miriam Zollinger am 23. Oktober 2020 - 11:44 Uhr