The Responder – In der Hitze der Nacht

Das Handbuch für Polizeieinsätze enthält wohl kein Kapitel darüber, wie man Verbrecher als Nichtsnutze bezeichnet und damit droht, einen Yorkshire-Terrier vom Balkon zu werfen. Aber genau so erledigt Polizist Chris Carson (Martin Freeman) seinen Job. Er ist schon lange genug dabei, um zu wissen, dass das Protokoll längst nicht immer einzuhalten ist. Ginge er nach den Regeln des Gesetzes vor, würde er durchdrehen. Eine Stadt wie Liverpool gleicht dem Wilden Westen – besonders nachts.

Chris weiss, dass ihm auch die wenigen Psychoberatungsgespräche nicht helfen werden, den «lebenslangen Scheiss in deinem Kopf», wie seine Frau es nennt, in den Griff zu kriegen. Chris ist drauf und dran, alles zu verlieren: sein Temperament, seinen Halt, seine Mutter, seine Ehe und – je nachdem, wie die Geschichte um einen obdachlosen Heroinsüchtigen und eine geklaute Tüte Kokain ausgeht – auch sein Leben.

Das ist die Ausgangslage der ausgezeichneten Debütserie von Tony Schumacher, dem Autor und ehemaligen Polizisten aus Merseyside. «The Responder» begleitet Chris während einer Dauer von sechs Nachtschichten. Zwischen den Einsätzen bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, plötzlichen Todesfällen und illegalen Partys gerät er in einen Konflikt, als ein befreundeter Drogendealer ihn beauftragt, einen flüchtigen Süchtigen aufzugreifen. Chris wird gezwungen, sich mit seinen inneren Widersprüchen auseinanderzusetzen. Er möchte ein guter Polizist sein, ein guter Vater, ein guter Mensch. Doch er ist einer, der unter Druck in unvorhersehbare, hemmungslose Gewalt ausbricht. Aber was bedeutet es überhaupt, in seiner Welt «gut» zu sein? Ist er gar so weit von richtig oder falsch entfernt, dass es gar keinen Unterschied mehr macht?

Die Polizeiserie «The Responder» schafft es, solch grundlegende  Fragen zu dramatisieren und Gesellschaftskritik zu üben, ohne dass die Thrillerhandlung an Fahrt verliert. Es braucht natürlich ein bisschen Angewöhnungszeit, bis man Mister «The Hobbit» als einen Mann am psychischen Abgrund akzeptiert hat. Das hat aber nichts mit Freeman zu tun, im Gegenteil: Es ist eine seiner besten schauspielerischen Leistungen überhaupt. In seiner Verzweiflung und seiner unterdrückten Wut hatte Chris schon immer einen guten Spruch auf Lager, aber die Umstände zwingen ihn dazu, sein «Nice Guy»-Image abzulegen. Stark.